Diagnose Myelofibrose

Vielleicht wurde auch bei Ihnen die Diagnose Myelofibrose (MF) erst in einem späteren Stadium gestellt. Denn oft stellen Ärzte eine MF erst dann fest, wenn die Erkrankung bereits weiter fortgeschritten ist. Das liegt daran, dass die Erkrankung in der Anfangsphase meist unauffällig ist und keine Symptome auftreten.

  • Symptome wie Müdigkeit und Gewichtsabnahme, die zu einem Arztbesuch veranlassen, machen sich in der Regel erst in der Spätphase bemerkbar.
  • Manchmal entdeckt der Arzt erste Hinweise auf eine MF zufällig bei einer Routineuntersuchung. Hier sind häufig ungewöhnliche Laborwerte des Blutes der Auslöser.

Drei Elemente der Diagnose Myelofibrose

Wenn der Verdacht MF besteht, wird Ihr Arzt folgende Untersuchungen durchführen: eine allgemeine körperliche Untersuchung mit ausführlichem Gespräch zu Ihrer Vorgeschichte (Anamnese), ein Blutbild und weitere Untersuchungen (z. B. des Erbguts und des Knochenmarks).

Untersuchungen zur Diagnose MF

Abb. 1: Untersuchungen zur Diagnosestellung Myelofibrose.

Die allgemeine körperliche Untersuchung: wichtige Anzeichen der MF

Ihr Arzt wird Sie bei Verdacht auf eine MF fragen, ob Sie unter typischen Symptomen leiden. Häufige Blutungen, wie z. B. Nasenbluten, oder Blutarmut (Anämie) und die damit verbundene Blässe und Leistungsschwäche können auf eine MF hinweisen. Diese Symptome können aber auch bei vielen anderen Erkrankungen vorkommen.

Bei Verdacht auf eine MF wird im Rahmen einer körperlichen Untersuchung überprüft, ob eine Milzvergrösserung (Splenomegalie) vorliegt. Auch die Leber kann vergrössert sein (Hepatomegalie).

Eine erste Einschätzung ist durch Abtasten des Bauchs möglich. Die genaue Grösse der Milz lässt sich anschliessend mit einer Ultraschall-Untersuchung feststellen.

Eine Anämie und eine vergrösserte Milz können sowohl in einer frühen Phase, in der das Knochenmark nur leicht verfasert ist (präfibrotische MF), als auch in einer späteren Phase mit stärker verfasertem Knochenmark (fibrotische MF) auftreten.

Um eine MF sicher festzustellen, sind weitere Untersuchungen notwendig. Die Überweisung an einen Hämatologen, dem Facharzt für Blutkrankheiten, kann dabei sehr sinnvoll sein.

Das Blutbild liefert einen ersten Verdacht auf Myelofibrose

Bei der Blutuntersuchung (Blutbild) lässt sich unter anderem feststellen, ob die Anzahl und Form Ihrer Blutzellen verändert sind. Die Veränderung bestimmter Blutzellen kann auf eine MF hindeuten.

  • In der Frühphase der MF sind insbesondere die Blutplättchen von der Vermehrung und untypischen Veränderung betroffen. In der Regel ist auch die Anzahl der weissen Blutkörperchen erhöht.
  • In der Spätphase der MF lassen sich zu wenige funktionsfähige Blutzellen nachweisen. Dies gilt nicht nur für die Blutplättchen und die weissen Blutkörperchen, sondern auch für die roten Blutkörperchen. Ein Mangel an roten Blutkörperchen kann zu einer Blutarmut (Anämie) führen, die sich beispielsweise in einer verminderten Leistungsfähigkeit äussert.
  • Bei den roten Blutkörperchen kommt es durch die Blutbildungsstörung zu weiteren Veränderungen, die z. B. ihre Grösse oder Form betreffen. So erscheinen einige rote Blutkörperchen im Blutbild nicht mehr rund, sondern weisen eine sogenannte „Tränentropfenform“ auf.
  • Häufig liegen bei einer MF erhöhte LDH-Werte im Blut vor. LDH steht für Laktatdehydrogenase, ein Eiweiss, welches bestimmte Vorgänge im Stoffwechsel der Zellen ermöglicht. Erhöhte LDH-Werte weisen unter anderem auf die Schädigung eines bestimmten Organs hin, wie z. B. der Milz und Leber.

Untersuchungen des Erbguts ergeben zusätzliche Hinweise

Bei einer MF können auch genetische Veränderungen vorliegen, z. B. Mutationen im Bauplan von Eiweissen, die an der Zellteilung beteiligt sind (JAK2, CALR oder MPL). In ungefähr der Hälfte aller Fälle liegt die sogenannte JAK2-Mutation vor. Diese lässt sich mittels einer speziellen Labormethode aus einer Blutprobe nachweisen.

Ein positiver Befund zeigt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine myeloproliferative Erkrankung besteht. Es gibt mehrere Formen dieser Erkrankung, bei denen das Wachstum (Proliferation) von Blutzellen im Knochenmark (myelo) ausser Kontrolle geraten ist. Die JAK2-Mutation kann jedoch bei allen Formen auftreten. Der Test allein sagt daher nichts darüber aus, ob es sich um eine MF handelt.

Da diese Mutation nicht bei allen Patienten auftritt, bedeutet das: Auch wenn keine Mutation festgestellt wurde, kann man trotzdem an MF erkrankt sein.

Entscheidend ist die Knochenmarkpunktion

Das Blutbild und die körperlichen Beschwerden bei einer MF können anderen myeloproliferativen Erkrankungen wie z. B. der Polycythaemia vera (PV) sehr ähnlich sein. Daher ist eine Knochenmarkpunktion für die Diagnose erforderlich.

Hierbei entnimmt der Arzt eine Gewebeprobe aus dem Knochenmark und lässt sie im Labor unter dem Mikroskop untersuchen. Für die Entnahme ist eine örtliche Betäubung an der Entnahmestelle und keine Vollnarkose nötig.

Dabei sticht der Arzt zunächst mit einer Punktionsnadel in den Beckenknochen und saugt mit einer Spritze flüssiges Knochenmark aus der Punktionsnadel an (Aspiration). Ausserdem sticht er mit der Punktionsnadel einen kleinen Gewebezylinder aus dem Knochenmark heraus.

Wenn eine fortgeschrittene Verfaserung vorliegt, kann es vorkommen, dass sich bei der Aspiration kein flüssiges Knochenmark ansaugen lässt. Dieses Phänomen nennt man „trockenes Mark“ oder „Punctio sicca“. In diesem Fall erfolgt die Diagnosestellung allein anhand des Gewebezylinders.

Im Labor lässt sich mithilfe bestimmter Einfärbungen feststellen, ob sich das Knochenmark verändert hat und ob bereits eine Vermehrung des Bindegewebes (Verfaserung) vorliegt.

Die verschiedenen Formen der myeloproliferativen Erkrankungen weisen jeweils ein anderes Erscheinungsbild des Knochenmarkgewebes auf. Daher kann der Arzt meist sicher erkennen, ob es sich tatsächlich um eine MF handelt.

Wann gilt die Diagnose Myelofibrose als gesichert?

Für die eindeutige Diagnose einer MF müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt wurden. Eine MF gilt als gesichert, wenn sich alle Hauptkriterien und mindestens ein Nebenkriterium bestätigt haben:

Hauptkriterien

  • Typischer Knochenmarksbefund
  • Nachweis einer Mutation (z. B. JAK2)
  • Ausschluss einer anderen Knochenmarkserkrankung

Nebenkriterien

  • MF-typisch verändertes Blutbild
  • Erhöhte Laktatdehydrogenase (LDH)
  • Blutarmut (Anämie)
  • Vergrösserte Milz (Splenomegalie)

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